In den vier Semestern, die ich jetzt in Deutschland studiere, bin ich bereits viermal umgezogen . Warum? Eigentlich gab es keinen guten Grund dafür. Aber obwohl die vielen Umzüge ganz schön anstrengend waren, habe ich daraus viel gelernt. Ich erlebte so die verschiedene Wohnformen von Studierenden aus erster Hand und lernte viel über das Studileben in Göttingen. Nicht zuletzt bin ich dadurch einer ganze Reihe von Menschen begegnet, die inzwischen liebgewonnene Freund*innen geworden sind.
Zuhause in Indien ist es normal, dass Student*innen, die nicht in ihrer Heimatstadt studieren, entweder in Studiwohnheimen leben oder als „zahlender Gast“ („Paying Guest“) von Dritten untergebracht werden. Von Studis liebevoll PGs genannt, umfassen diese zahlenden Gastarrangements zwei oder drei Personen, die sich ein Einzelzimmer und somit auch das Haus und seine Nebenkosten teilen. Der Verpflegungs- und Wäscheservice sowie die verschiedenen Strom- und Internetrechnungen werden von den PG-Organisatoren übernommen. Sobald die PG-Gebühr bezahlt ist, müssen sich die Student*innen in ihrem täglichen Leben kaum noch selbst um etwas kümmern. Einerseits ist dieses System praktisch, ja irgendwie sogar dekadent. Andererseits lernt man so kaum, unabhängig zu sein und sein eigenes Leben selbst in die Hand zu nehmen. Im Vergleich dazu ist das Studileben in Deutschland geradezu ein Eigenständigkeitstraining: Angefangen bei der Mülltrennung, über das selbstständige Zahlen von Rechnungen bis hin dazu mit mit Menschen aus der ganzen Welt zusammenzuleben und ihre jeweiligen Kulturen gemeinsam zu zelebrieren – beim Zusammenwohnen gibt es viel zu lernen! Unten findet ihr deshalb einen kleinen Überblick meiner Erfahrungen in den verschiedenensten Unterkünften als Student in Göttingen – mit besonderem Augenmerk auf die WG.
Unterschiede zu einer normalen Wohngemeinschaft
Einer der Hauptgründe, warum Menschen in WGs leben, ist, dass es eine günstige Alternative zum Alleinleben ist. Auf diese Weise können auch Studis in größeren Räumen zusammenzuwohnen, anstatt allein in beengten Verhältnissen zu leben und mehr zu bezahlen. WG-Größen in Deutschland variieren: Während die meisten WGs 2-4 Personen umfassen, gibt es gelegentlich auch welche mit 10-12 Personen. Ein Vorteil einer WG ist, dass man mit einer kleinen Gruppe von Menschen auf engstem Raum zusammenleben und sie somit besser kennenlernen kann. Als ich in Shanghai studiert habe, habe ich im „International Student’s Dorm“ gewohnt, einem riesigen Gebäude von der Größe eines Wolkenkratzers in New York. Es gab ungefähr 40 Wohnungen auf jeder Ebene, wobei wir uns alle zwei riesige Küchen teilten. Obwohl wir dort einige lustige Partys gefeiert haben, war es ziemlich schwierig, die Anderen wirklich näher kennenzulernen und enge persönliche Beziehungen untereinander aufzubauen. Im Gegensatz dazu scheinen mir Harmonie und Geselligkeit in den meisten WGs in Deutschland wichtige Ziele zu sein. Zusammen kochen, Kontakte knüpfen oder gemeinsam WG-Partys feiern… gemeinsame Aktivitäten gehören hier dazu. Vor allem in internationalen WGs kommt man abends oft zusammen, um gemeinsam verschiedene Gerichte aus aller Welt zuzubereiten! Der regelmäßige Dal- oder Sushi-Kochabend in meiner WG ist für uns alle immer ein lang ersehntes Highlight. Das Leben in einer Wohngemeinschaft wie dieser ist eine perfekte Möglichkeit, viele neue Leute kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Eine WG in Deutschland kann so leicht zu einer neuen kleinen Familie werden.
Besonderheiten des WG-Lebens
Ein weiterer Grundsatz des WG-Lebens in Deutschland ist die Aufteilung der Verantwortlichkeiten. Da die Mitbewohner*innen die Verantwortung für die Pflege und Instandhaltung der Wohnung selbst tragen, ist es nicht ungewöhnlich, dass ein sogenannter Putzplan vorhanden ist. Normalerweise umfasst er das Herausbringen der verschiedenen Arten von Müll, die Reinigung der Küche, des Badezimmers usw. An dieser Stelle eine auch eine klare Warnung von mir: Ohne festen Reinigungsplan kann es zu Problemen kommen! In einem meiner ersten Studiwohnheime in Göttingen habe ich in einer Wohngemeinschaft ohne Putzplan gewohnt. Das führte oft zu Schuldzuweisungen und passiv-aggressiven Reaktionen in unserer WhatsApp-Gruppe, was manchmal in unangenehmen Situationen resultierte. Um das zu vermeiden, sollte man sicherstellen, dass ein Putzplan vorhanden ist, oder diesen, falls keiner vorhanden ist, selbst initiieren.
Die meisten Wohngemeinschaften teilen sich die Küche und alle darin enthaltenen Geräte und Geschirrteile. Das bedeutet, dass für jemanden, der gerade in eine neue Stadt und in eine neue WG zieht, kaum die Notwendigkeit besteht, neue Dinge für sich selbst zu kaufen, zumindest für die Gemeinschaftsräume und die Küche. Wenn man dagegen ein Zimmer in Deutschland mietet, ist es normal, nur vier kahle Wände und einen leeren Raum vorzufinden. Zum Glück ist das in der Küche nicht immer der Fall. Es steht allen frei, alle Dinge in der Küche zu verwenden und wegen der ständig wechselnden Mitbewohner*innen innerhalb einer Wohngemeinschaft ist es wahrscheinlich, dass du Monate und Jahre nach deinem Umzug noch von den Tellern bereits ausgezogener Mitbewohner*innen essen wirst.
Die entspannteste Art zu wohnen
Besonders für den Expat, der gerade im Land angekommen ist und mit Deutschland und seiner Lebensart noch nicht vertraut ist, kann das Leben in einer Wohngemeinschaft alles hundertmal einfacher machen. Wer nicht selbst eine WG gründet, hat wahrscheinlich andere Deutsche oder erfahrene Expats als Mitbewohner*in, die bereits die Daten für die Müllabfuhr kennen, wissen, wie die Stromrechnungen zu bezahlen ist und , wen sie anrufen können, wenn etwas schief geht oder wenn es darum geht, eine Pizza zu bestellen. Eine weitere besondere Aufgabe ist die deutsche Mülltrennung. Mit der Unterstützung der Mitbewohner*innen, ist es weniger verwirrend, den Müll in Bio, Papier, gelber Sack und Restmüll aufzuteilen. Obwohl man all diese Dinge im Laufe der Zeit selbst lernen wird, kann einem das Leben in einer WG einige peinliche Ausrutscher und Fehler ersparen.
Von den verschiedenen Arten, wie Student*innen in Deutschland leben können, gefällt mir das Wohnen in einer WG am besten. Es ist eine großartige Möglichkeit, Geld zu sparen, Verantwortung zu teilen und neue Freund*innen zu finden. Natürlich ist es nicht für jeden das beste Konzept. Im nächsten Teil unserer #LivingInGö-Reihe stellen wir die anderen möglichen Wohnformen in der Stadt vor, wie sie funktionieren und wie man sich erfolgreich hierfür bewerben kann.