hiermit… nein, das ist langweilig! Und so ausgelutscht! Aber wie fange ich dann an?
Es ist Ende Juni und ich sitze verzweifelt in meinem viel zu warmen WG-Dachgeschosszimmer. Seit einiger Zeit (das Zeitgefühl habe ich inzwischen verloren) starre ich bereits auf das geöffnete Worddokument auf meinem Laptop und versuche einen einigermaßen hinnehmbaren Anfang für mein Bewerbungsanschreiben zu verfassen. So richtig gelingen will mir das allerdings nicht.
Nach sechs Jahren Uni muss ich mich langsam darum kümmern, was danach kommt – also schön fleißig Bewerbungen schreiben. Aber das gelingt mir im Moment nur mittelmäßig. Den Lebenslauf habe ich schon verfasst (seit Jahren immer aktualisiert). Nur das Anschreiben bereitet mir wirklich Probleme. Das bisschen Wissen, das ich noch aus dem einen Tag Bewerbungstraining in der Schule habe, hilft mich auch nicht unbedingt weiter. Bei meinem Versuch, meine Ahnungslosigkeit durch Tipps und Tutorials aus dem Internet auszubügeln, fällt mir etwas anderes ins Auge: Auf der Suche nach dem perfekten Anschreiben stolpere ich über den Bewerbungsmappencheck des Career Service der Uni.
Wie der Name schon sagt: Hier können Studis ihr Anschreiben und ihren Lebenslauf kontrollieren lassen. Der Check beinhaltet ein Kleingruppentreffen, um generelle Fragen zu klären, und ein persönliches Beratungsgespräch. Als ich mich dafür anmelde, bekomme ich erst eine PDF zugeschickt mit Infos rund um die Bewerbungsmappe. Meine Unterlagen kontrolliere ich auf diese Punkte hin noch einmal.
Und schließlich sitze ich im Beratungsgespräch bei Ina Marschall vom Career Service mit meinem frisch aus der Traufe gehobenen Anschreiben und meinem Lebenslauf. Hier stellt sie erst mal eines klar: Den einen Weg zur erfolgreichen Bewerbung gibt es nicht. (Na toll! Das wird also doch schwieriger als gedacht.) „Das liegt daran, dass Bewerbungen und Stellenausschreibungen hoch individuell sind,“ erklärt sie mir. „Da ist Ihr Anforderungsprofil, das mit der Stelle verknüpft werden muss. Und außerdem bewerten unterschiedliche Menschen Ihre Unterlagen, mit verschiedenen Vorlieben. Die können wir nicht beeinflussen.“
Bevor ich aber völlig entmutigt wieder gehe, fügt sie hinzu, dass ich einen Teil des Erfolgs meiner Bewerbung lenken kann, indem ich Interpretationsweg und Passgenauigkeit zur Stelle optimiere. Dafür ist der Bewerbungsmappencheck gedacht. Und um mir neue Anregungen, Ideen und Inspirationen zu geben. Was ich davon dann in Anschreiben und Lebenslauf umsetze, kann ich selbst entscheiden. Ina Marschall nennt das „individuellen Entscheidungsspielraum“. Formale Aspekte, die bei Bewerbungsschreiben immer gesetzt sind, gäbe es nur wenige.
Zuerst nimmt sich meine Beraterin meinen Lebenslauf vor. Generell sei der so in Ordnung (ich werde vor stolz ein paar Zentimeter größer). Ein paar Vorschläge hat sie dann doch für mich. Der wichtigste Tipp: so viele Infos wie möglich in den Lebenslauf packen, ohne dass er unübersichtlich wird. Dann sehen die Personaler z.B. auf einen Blick, was man in bisherigen Jobs oder Praktika schon gelernt hat. (Alles klar, merke ich mir!)
Was Ina Marschall wichtig ist: Der Career Service soll nicht als letzte Korrekturinstanz für alle Bewerbungen gesehen werden. „Sie sollen ja auch die Kompetenz erlangen, für sich zu entscheiden, ist das, was ich da zu Papier gebracht habe, passgenau? Ist es gut? Passt es zu der Stelle?“. An einer einzelnen Bewerbung wird deshalb beispielhaft geübt, worauf zu achten ist, um es dann später bei anderen Stellenausschreibungen selbständig anzuwenden. Für Einzelfragen könne man aber immer nochmal einen Folgetermin vereinbaren. Also werde ich nicht einfach ins kalte Wasser geschmissen. „Wir stehen so lange zur Verfügung bis es keine Unsicherheiten mehr gibt.“
Der Bewerbungsmappencheck (übrigens auf Deutsch und Englisch möglich) ist deshalb nicht das Einzige, was beim Career Service angeboten wird. Für alle Phasen der Bewerbung kann man sich hier Unterstützung holen. Ina Marschall erklärt mir das am sogenannten „Phasenbezogenen Bewerbungsmodell“. Der Bewerbungsmappencheck ist dort erst der vierte von fünf Schritten. Schon als ich mir Gedanken zu meinen Interessen und Kompetenzen gemacht habe, hätte ich das mithilfe des Career Service tun können. Das ist Schritt eins.
In Phase zwei soll die Frage geklärt werden, was als nächstes im Leben kommt – weiter studieren, promovieren oder doch vielleicht arbeiten. Hilfe gibt es auch ganz klassisch bei der Stellensuche (Phase 3), bei den Bewerbungen (Phase 4) und schließlich in den Vorstellungsgesprächen und Assessment Centern (Phase 5). Zu all diesen Bereichen veranstaltet der Career Service Vorträge, Workshops, Einzelberatungen und Webinare. Auch ein Mentoring zum Berufseinstieg und das Zertifikat „Building International Careers“ werden angeboten.
Aber zurück zu meinen Unterlagen. Jetzt kommt mein Anschreiben an die Reihe. Das hat Ina Marschall inzwischen mit einigen Strichen und Pfeilen, Kringeln und Schlangenlinien versehen. Vom Grundaufbau habe ich anscheinend schon viel richtig gemacht. Aber ich könnte an einigen Stellen detaillierter werden (symbolisiert durch ein Fragezeichen neben dem Text), wie mir meine Beraterin erklärt, an anderen etwas mehr zusammenfassen (das drückt sie durch Klammern aus). Und ich hatte recht: Ein Anschreiben mit „hiermit“ zu beginnen, ist langweilig und nicht besonders gern gesehen. Da stimmt mir auch die Expertin zu.
Wann ist denn eigentlich der beste Zeitpunkt, um sich an den Career Service zu wenden? Ina Marschalls Antwort lässt das relativ offen (es ist ja alles freiwillig): „Man muss nicht gerade im ersten Semester zu uns kommen. Aber wenn man noch gar nicht weiß, was man machen möchte, empfiehlt es sich, nicht erst im letzten Semester hinzugehen, wo man dann auch mit den Abschlussarbeiten beschäftigt ist und unter Druck steht.“
An welchem Punkt im Studium man generell anfangen sollte, Bewerbungen zu schreiben, sei sehr unterschiedlich, meint Ina Marschall. Das kommt immer auf die Stelle und die Person selbst an. Einen Tipp hat sie aber: „Immer mit Mut voran. Eine Stellenausschreibung ist meist eine Idealbesetzung. Und da Sie nicht wissen, wie die Bewerberlage ist, kann es sein, dass Sie unter den besten fünf Prozent der Bewerber sind.“ Also mutig sein, kein „hiermit“ verwenden und im Anschreiben gut argumentieren, warum die Stelle passt, auch wenn nicht alle Anforderungen erfüllt werden. Wie das geht, zeigt der Career Service beim Bewerbungsmappencheck.
Ob Fotogröße, Wortwahl, Layout oder Reihenfolge, Frau Marschall hat einige Änderungsvorschläge für meine Bewerbung. Nachdem wir über 45 Minuten meine Unterlagen besprochen haben, sehe ich sehr viele Anmerkungen mit schwarzem Stift neben Anschreiben und Lebenslauf geschrieben. (Ein bisschen bin ich ihr dankbar, dass sie keinen Rotstift verwendet hat.) Ich habe also noch ziemlich viel Arbeit vor mir, bevor ich mich endlich bewerben kann. Gut zu wissen, dass ich dabei Unterstützung habe.
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