Zweinundzwanzig Spieler, alle komplett in Weiß. Hinzu kommen ein roter Ball, zwei Schläger und Begriffe wie Wicket, Run und Bowler. Mehr braucht man nicht für den Sport der Gentlemen. Manche nennen es den besten Sport der Welt, alle anderen nennen es Cricket.
Es ist Sonntagvormittag, die Sonne steht hoch am Himmel und ich stehe neben dem umfunktionierten Fußballfeld des Unisports. Gerade hat das Cricket Team der Uni Göttingen sein Bundesliga-Match gegen den Hamburger Sportverein begonnen. Im Großteil der deutschen Köpfe steht Cricket wahrscheinlich ganz oben auf der Commonwealth-Klischeerangliste, auf einer Stufe mit der Queen und dem five o’clock tea. Ursprünglich zuhause in Australien, Indien und Großbritannien hat der Cricket Sport vor knapp 30 Jahren seinen Weg nach Göttingen gefunden. „Mitte der 80er Jahre haben ein paar Engländer am Max-Planck-Institut hin und wieder Cricket gespielt. Ich habe zu der Zeit in Göttingen Sport und Englisch studiert und davon erfahren. 1987 konnte ich dann Cricket am Unisport einführen“, erzählt Dhushan Ekanayake, Gründer des Göttinger Cricket Vereins. Heute zählt der Club etwa 30 Mitglieder.
Ich bin nicht unvorbereitet hierhergekommen, eine eingehende Wikipedia-Recherche hat mir die grundlegenden Cricket-Regeln näher gebracht: Batsmen, Wicket, Bowler, Run – alles Begriffe einer, meinen ersten Einschätzung nach, sehr elaborierten Art von Brennball mit Schlägern. Wer die Bälle am besten schlägt und am schnellsten läuft, so genannte Runs erzielt, hat gewonnen. Easy Peasy, das sollte doch nicht so schwer zu verstehen sein, dachte ich zumindest. Die erste Überraschung hält, trotz eines teamsportgeübten Auges, die Trikotwahl parat: Alle Spieler sind ausnahmslos in weiß gekleidet. Nur der Schiedsrichter hebt sich in seinen babyblauen Shorts von den Mannschaften ab. Was dann während des Spiels folgt, lässt sich in etwa mit meinen Erlebnissen aus dem schulischen Matheunterricht vergleichen: Manches verstehe ich, vieles kommt mir irgendwie bekannt vor, und einiges macht einfach überhaupt keinen Sinn. Die Abseitsregel ist nichts dagegen. Ich jubel einfach, wenn es die anderen auch tun – ist wohl die sicherste Variante.
Dhushan sitzt neben mir, erklärt geduldig und erzählt, wie das Göttinger Team zusammengesetzt ist. „Die meisten unserer Spieler sind Doktoranden aus Indien“, sagt Dhushan. In letzter Zeit seien auch Flüchtlinge, vornehmlich aus Afghanistan, Teil der Mannschaft geworden. Aber auch wenn man, wie wahrscheinlich die meisten Göttinger Studierenden, keinerlei Cricket-Vorkenntnisse hat, ist man bei den freitäglichen Trainingseinheiten (16 bis 20 Uhr) herzlich willkommen. Die Göttinger Damen-Mannschaft, die dem BG 74 und nicht dem Hochschulsport angegliedert ist, leidet indes unter Mitgliedermangel. „Man muss lange am Ball bleiben und ständig trainieren, wenn man nicht mit Cricket aufgewachsen ist“, sagt Spielerin und Obfrau Kerstin Jörike. „Das schreckt vielleicht viele Deutsche ab.“
Auf mich strahlt Cricket eine sehr eigentümliche Faszination aus. Auf dem Spielfeld passiert nicht viel (jedenfalls nicht in den Augen eines Laien), doch ich kann einfach nicht wegschauen. Ähnlich geht es auch den vielen Hochschulsportlern, die am Sonntagvormittag eher zufällig das Heimspiel der Göttinger Cricketer beobachten. Man bleibt stehen, macht Fotos und versucht, sich die Regeln dieser – für deutsche Verhältnisse – unbekannten und eigenartigen Sportart zu erschließen. Derweil muss sich das Cricket Team der Uni Göttingen den Hamburgern mit 202 zu 302 Runs geschlagen geben. Aber die Saison ist noch lange nicht vorbei. Den ganzen Sommer über hat man immer mal wieder die Möglichkeit, die Göttinger Cricket Mannschaft beim Sport der Gentlemen zu beobachten, oder sogar selber einmal mitzumachen und einen Run zu laufen.
Hast Du Interesse bekommen, dein Talent auszuleben oder dich einmal auszuprobieren? Dann kontaktiere Dhushan (howzat.dhushan@t-online.de) oder Kerstin (k.joricke@hotmail.com) oder informiere Dich auf der Website des Hochschulsports.