Reisen macht mir Spaß, so wie gefühlt allen Studierenden. Kein „Hobby“ habe ich so häufig in Steckbriefen, Instagram-Bios und Tinderprofilen gelesen. Dabei ist reisen nicht gleich reisen, ich mag große Städte, wo es in kurzer Zeit viel zu sehen gibt und das einzige Abenteuer darin besteht, das auf YELP empfohlene Café ausfindig zu machen. Beeindruckt bin ich daher immer von Menschen, die sich in Länder aufmachen, die fernab unseres westlichen, europäischen Radius’ liegen. So auch Philipp, jetzt Physik-Doktorand, der sich nach seinem Bachelor auf eine Reise um die Welt begeben hat, wie ich es mich nie trauen würde. Für ein Gespräch mit ihm habe ich sogar extra den Weg zum Nordcampus auf mich genommen, was ich bisher nur für Kellnerwegpartys getan hab.
Zuerst per Anhalter von Deutschland über Westasien und China nach Bali, dort stieg er zum ersten Mal auf seiner Reise (!) in ein Flugzeug, landete in Australien, flog von da aus nach Chile und radelte mal eben durch ganz Südamerika. Über seine Person möchte er eigentlich nicht sprechen, sagt er mir. Viel lieber soll doch die Reise im Mittelpunkt stehen. Hm, ein bisschen schwierig, Reisen erleben sich ja nicht von alleine. Ich erlaube mir also trotzdem ein paar Fragen zu ihm und seinem Leben in Göttingen. Immerhin hat er ein Buch geschrieben und seine Erlebnisse in einem Film verewigt, der diese Woche im Lumière läuft.
Er erklärt mir zunächst sein Promotionsthema, irgendwas mit Festkörperphysik. Das klingt spannend, aber ich verstehe leider nichts davon. Zurück zum Reisen, da kann ich mehr mit anfangen. Obwohl ich merklich Schwierigkeiten habe mir vorzustellen, dass man so easypeasy von Europa über Länder wie Türkei, Armenien, Iran und sämtliche „-stans“, wie er sie nennt, bis nach China reisen kann. Klappt aber wohl gut. „Manchmal steht man dort halt mal länger an der Straße und wartet auf jemanden, der einen mitnehmen kann. Und dann gibt es vielleicht noch Kommunikationsprobleme, aber hilfsbereit waren immer alle, denen ich dort begegnet bin.“ Er könne noch viel mehr in Detail gehen, was die einzelnen Stationen angeht, bleibt aber beim Groben. Dabei kommt er aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus, überaus positiv klingen seine Erfahrungen. War ihm aber nicht zwischenzeitlich mal mulmig zumute? Eigentlich nicht. Am sichersten hat er sich tatsächlich auf seiner Tour zwischen Türkei und China gefühlt. „Die Leute waren so viel hilfsbereiter als zum Beispiel in Australien, wo mir echt immer am unwohlsten war. In den westlich geprägten Ländern sind alle einfach viel misstrauischer, wenn sie so einen Typen am Straßenrand stehen sehen“, erzählt Philipp. An dieser Stelle kann ich mir nicht verkneifen zu sagen, dass es ja auch als Mann nun mal einfacher ist, sich sicher zu fühlen, egal wo. Aber Philipp glaubt daran, dass die Welt erst mal ein „sehr sehr guter Ort“ ist. Seiner Tochter, hätte er eine, würde er solch eine Reise nicht verbieten, weil sie eben genauso sicher oder unsicher sei wie für ihn. So richtig weiß ich nicht, ob ich persönlich mich auf diese Art von Reise komplett alleine begeben würde. Aber ich erinnere mich an meinen naiven Roadtrip durch Kalifornien mit 20 ohne feste Unterkunft oder Reiseziele, da ging auch alles gut. Vielleicht einfach mal machen und weniger nachdenken?
Elf Monate war er unterwegs, gar nicht so einfach, das alles in Buch und 90-Minuten-Film zusammenzufassen. Aber als er andere Weltreiseberichte gelesen und gesehen hat, dachte er „das kann ich auch!“ und fing an zu schreiben, obwohl die Reise da schon mehrere Jahre zurücklag. Das Buch liegt nun neben mir, „Mit dem Fahrrad und per Anhalter um die Welt“, steht drauf. Das Interview stimmt mich neugierig auf diese Details, für die wir nun eben keine Zeit haben. Zusätzlich zum Buch kann ich mir auch visuell ein Bild seiner Abenteuer machen, denn auf das Buch folgte auch im letzten Jahr ein Film, den er aus vielen kleinen Videoschnipsel in mühevoller Arbeit über mehrere Monate zusammengeschnitten hat. „Die Schwierigkeit lag vor allem darin, einen roten Faden einzubauen. Was will ich erzählen? Was ist weniger interessant? Und dann hatte ich auch einfach so unglaublich viel Material, ich würde schon fast sagen ‚Gott sei dank, dass ich gegen Ende meine Kamera verloren habe’, sonst hätte ich ja noch mehr Videos.“
Philipp freut sich über seine Erfahrungen, allerdings möchte er in naher Zukunft erst mal auf so weite Strecken verzichten, auch der Umwelt zuliebe. „Man muss gar nicht so weit fahren, um schöne, neue Länder zu sehen, in Europa allein gibt es ja schon so viel zu bereisen.“ Wer sich selbst von seiner Reise inspirieren lassen will, kann dies vom 20. bis zum 23. Juni im Lumière tun. Da läuft nämlich sein Film und Philipp ist persönlich dabei, um im Nachhinein noch Fragen zu beantworten – und wer dran denkt, singt ihm nach der Premiere am 20. noch ein Geburtstagsständchen.
Hier gibt’s den Trailer zum Film: