Ein Erasmus-Semester im Ausland: Die beste Zeit deines Lebens, sechs Monate, die man nie vergisst, Abenteuer hinter jeder Ecke, internationale Freundschaften schließen, Nächte zu Tagen machen und zwischendurch noch ein bisschen studieren. Hört sich doch super an! Es ist Mitte September, ich sitze allein auf dem Boden eines Dubliner Hostelzimmer und schaue mich um. Hm. Klappt ja schonmal prima.
Wie bin ich hier nur gelandet?
Es begann alles im Winter letzten Jahres mit einem simplen, aber folgenreichen Gedanken: „Mensch, Erasmus, das könntest du ja auch mal machen…“. Und ehe ich mich versah, hatte ich die Bestätigung, im kommenden Wintersemester am Trinity College in Dublin Germanistik studieren zu dürfen. So leicht kann’s also sein. Einen kleinen Papierkrieg mit dem Erasmus-Büro und drei mittelschwere wohnungsbedingte Nervenzusammenbrüche später bin ich auch schon hier.
Ersti Reloaded
Ich knabbere an einem Apfel. In einem Hochbett liegt einer meiner wechselnden Mitbewohner und liefert mit seinen sanften Schnarchgeräuschen den Soundtrack meines Abends. Von einer Erasmus-Euphorie habe ich bisher noch nichts gemerkt. Ich bin eher müde. Die Freshers‘ Week, die anglophone Version der O-Woche, liegt hinter mir und hat mich in regelmässigen Abständen in meine schlimmsten Situationen als Ersti in Göttingen zurück versetzt. Und damit meine ich nicht die Zeiten, in denen ich betrunken in Polonaise-Formation über den Campus gewankt bin, sondern das erdrückende Gefühl des Alleinseins, der Drang, auf Kommando Freundschaften schließen zu müssen und der generelle Zustand maximaler Verwirrtheit. Nein, Heimweh ist es nicht (sorry Mama), es ist eher das Gefühl des Neuankommens, das ich nicht mehr gewohnt bin. Aber das wird vergehen. Hoffentlich bald.
Alles nur geträumt?
Zeitsprung: Mittlerweile ist es Oktober, ich sitze auf meinem gemütlichen Bett in meinem gemütlichen Zimmer und schaue mich um. Gar nicht so schlecht. Mein Hostelzimmer ist mittlerweile nur noch Teil meiner Alpträume, ich habe jede Menge spannender Leute kennen gelernt, und der Unialltag hat mich schon fest in seinen Klauen. Und obwohl sich die Wolken am irischen Himmel beständig halten (aber ganz ehrlich, was wäre dieses Land ohne Regen?), sind sie aus meinem Kopf verschwunden.
Nein, zugegebenermaßen war meine erste Woche in Dublin nicht die erhoffte Erasmus-Wunderwelt. Und auch wenn sie mittlerweile nur noch schemenhaft in meinem Gedächtnis hängt, war sie eine Erinnerung daran, wie schnell zu hohe Erwartungen an mich und meine Umwelt ins Negative abrutschen können. Der Anfang in einer neuen Stadt kann schwer sein – sei es als Ersti oder als erfahrener Studi. Die erste Hürde ist jetzt überwunden und der Großteil des Semesters liegt noch vor mir. Wäre doch gelacht, wenn ich daraus nicht die beste Zeit meines Lebens machen könnte.