Von wegen stille Nacht: Weihnachten in meinem derzeitigen Studienort Fayetteville ist bunt und ereignisreich. Der Vorweihnachtstrubel in den USA hat also genug zu bieten, dass mir der Göttinger Weihnachtsmarkt nicht allzu sehr fehlt. Heute erzähle ich euch daher, wie es in der Adventzeit an der University of Arkansas und drumherum zugeht.
Lights of the Ozarks
Alle Jahre wieder putzt sich Fayetteville heraus. Rund um den Downtown Square schmücken Lichterketten die Bäume, sodass man abends durch ein buntes Winter-Wonderland wandert. Das alles ist ein bisschen drüber, aber trotzdem schön anzuschauen und Weihnachtsstimmung ist dabei garantiert. Zur feierlichen Eröffnung des Spektakels mit dem hübschen Namen „Light of the Ozarks“ gibt es eine Parade, die ein wenig an einen Karnevalszug erinnert und bei der Santa Claus fröhlich von einem Wagen winkt. Leider gibt es keinen wirklichen Weihnachtsmarkt, dafür werden im Lichtermeer ein paar Food Trucks aufgestellt. Und aus denen, das muss ich zugeben, schmeckt das Essen doch um einiges besser als die öligen Standard-Weihnachtsmarkt-Gerichte. Überteuert sind sie allerdings ebenso. Auch sonst putzt sich die Stadt zu Weihnachten heraus, dabei wird gerne geprotzt. Mein Highlight bisher: eine Horde festlicher Flamingos. Auch das Hauptgebäude der Uni erstrahlt zum Ende des Jahres in festlichem Glanz und leuchtet jede Nacht über die Stadt hinweg.
Let it snow
Da Fayetteville mitten in den Ozark Mountains liegt, bekommt die Stadt nur wenig Schnee. Im Gegenteil: Temperaturen bis zu 17 Grad kommen auch im Dezember häufig vor, sodass kein rechtes Wintergefühl aufkommt – was, wie ich zugeben muss, aber gar nicht mal so unangenehm ist. Immer mal wieder segeln allerdings trotzdem ein paar Flöckchen vom Himmel. An der University of Arkansas bedeutet das: Ausnahmezustand. Sofort geht ein Alarm an alle Handys, Uni-Büros werden geschlossen, Seminare abgesagt, das Sportzentrum und der Busverkehr machen dicht. Auf den 0.1 Zentimetern Schnee, die es tatsächlich auf dem Boden überlebt haben, trampeln die Studierenden nach Hause und genießen den Rest des „Snow Day“ mit Netflix und heißer Schokolade.
Weihnachtsfeiern
Wie auch in Deutschland jagt in den Wochen vor Weihnachten eine Weihnachtsfeier die nächste. Allerdings ist Glühwein hier eher unüblich: Zum einen ist der Ausschank von Alkohol auf dem Uni-Gelände strengstens verboten. Zum anderen ist das Prinzip hier schlicht unbekannt. Manchmal gibt es etwas, das sich „Hot Cider“ nennt und im Prinzip warmer Apfelsaft ist. Dafür sind die amerikanischen Veranstaltungen und Feiern jeglicher Art grundsätzlich großzügiger: Essen gibt es immer, das stets umsonst ist, meistens gleich ein ganzes Buffet inklusive Nachtisch und Getränke. Wer es geschickt anstellt, ernährt sich auf diese Weise gratis bis ins neue Jahr.
Weihnachtsstress meets Klausurenstress
Ihr dachtet, eure Vorweihnachtszeit wäre stressig? Dann stellt euch vor, ihr müsstet zusätzlich auch noch vier zehn- bis 25-seitige Hausarbeiten in den vier Wochen vor den Weihnachtsferien abgeben. So sieht leider gerade meine Realität aus. Da in den USA das Semester von August bis Dezember dauert, fällt die Prüfungsphase genau vor Weihnachten. Das bedeutet, nix da Besinnlichkeit, Bib statt Weihnachtsmarkt und Lernen statt Geschenkeshopping. Der Vorteil: Dafür ist dann vor Weihnachten auch wirklich alles erledigt und man kann das Fest in Ruhe genießen, ohne dass ein*e übereifrige Dozent*in auf die Idee kommt, über die Ferien doch die Lektüre eines 700-seitigen Romans zu erwarten, denn „Sie haben ja schließlich genug freie Zeit dafür“. Was auch gut ist: In den USA feiert man Ende November traditionell Thanksgiving – ein Ritual, das vor allem aus viel Essen besteht. Dadurch ergibt sich kurz vor Weihnachts-Endspurt eine fünftägige Pause, die wie gerufen kommt, um vor dem Semesterfinale noch einmal durchzuatmen.
In der Weihnachtsbäckerei
Christmas Cookies sind hierzulande ebenso wie in Deutschland eine beliebte Tradition. Darunter werden aber meist einfache Butterplätzchen mit viel Frosting verstanden, die wie alles hier fürchterlich übersüßt werden. Die Zutaten für Zimtsterne, Vanillekipferl und Co. zusammenzubekommen, ist daher gar nicht mal so einfach. Nachdem ich sämtliche Supermärkte in meiner Reichweite erfolglos nach gemahlenen Mandeln abklapperte, gab ich auf und zerkleinerte in mühseliger Kleinarbeit 400 Gramm Mandelscheiben in einer winzigen Küchenmaschine. Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zum Plätzchenglück: Mengenangaben. Die USA benutzen bekanntlich nicht das metrische System, sondern ein Sammelsurium an seltsamen Maßeinheiten, die ich auch nach vier Monaten immer noch nicht durchblicke. Eine gängige Messeinheit sind Viertel- oder Drittel-Tassen, für die es genormte Löffel gibt. An sich praktisch, aber dadurch ist es erstaunlich schwierig, eine Küchenwaage käuflich zu erwerben. Daher bin ich darauf angewiesen, alle Angaben von Gramm in Milliliter und dann in Unzen umzurechnen, um Zutaten mit dem Messbecher abmessen zu können. Für die Rechenwege, die ich dabei bisher aufgestellt habe, steht mir meiner Meinung nach mindestens ein Bachelor in Mathematik zu. Ist der Teig fertig, geht es dann gleich weiter: Die Backtemperatur muss von Celsius in Fahrenheit umgerechnet werden, um die Kekse auch richtig zu backen. Das Ergebnis konnte sich zu meiner Überraschung trotzdem sehen lassen!
Traditionen
Weihnachtstraditionen in den USA sind nicht allzu anders als bei uns: Wichteln heißt hier Secret Santa, Weihnachtsbäume kann man an jeder Straßenecke kaufen und die Playlists sind auch dieselben.
Adventskalender kennt man hier zwar, sie sind aber nicht sonderlich verbreitet, Adventskränze sind (außer kerzenlos zur Deko an der Tür) völlig unbekannt. Auch Nikolaus feiert man hier nicht und statt Heiligabend ist der wichtigste Feiertag der 25. Dezember.
Eine kuriose Tradition gibt es in Fayetteville allerdings: Jedes Jahr findet in der Vorweihnachtszeit im Botanischen Garten der „Jingle Bell Jog“ statt, ein 5-Kilometer-Lauf, der der Institution zugutekommt. Alle Läufer*innen schmeißen sich dafür weihnachtlich in Schale, mit Ugly Christmas Sweaters, Lichterketten und Rentiergeweihen. Auch ich und meine neuen weihnachtlichen Llama-Socken waren dieses Jahr dabei, haben keinen Preis gewonnen, aber immerhin eine Medaille für erfolgreiche Teilnahme abgestaubt.
Und zum Schluss das Schönste am Auslandssemester: Nebenbei lerne ich auch noch viel über Weihnachten und ähnliche Feste in anderen Kulturen. Eine Freundin aus Kolumbien lud mich zu ihrer Party zum „Día de las velitas“, dem Tag der kleinen Kerzen, ein. Dieser wird in der lateinamerikanischen katholischen Tradition am Vorabend der unbefleckten Empfängnis begangen (fragt mich nicht, wie das rechnerisch hinkommen soll). Dabei kommen Familie und Freund*innen zusammen, essen und zünden gemeinsam Kerzen an. Zum Buffet mit typischem kolumbianischen Essen wie Empanadas und Pandebono (alles übrigens sehr köstlich) steuerte ich Zimtsterne und Vanillekipferl bei. Und die beste Weihnachtsstimmung ist doch immer noch die beim Feiern mit netten Leuten.