Eigentlich sollte hier ein Video folgen, das euch die Blutspende-Erfahrungen des BLUG-Teams näherbringt (#BLUGSpende). Aber da gerade Corona ist (kann man ja mittlerweile schon als Zustand beschreiben) und Kontaktverbot auf der Tagesordnung steht, haben wir kurzerhand unseren Plan über Bord geworfen, als zehn Personen starkes Team bei der Transfusionsmedizin Göttingen aufzulaufen. So viele Menschen wollte ich eigentlich als moralische Unterstützung dabeihaben, wenn ich zum ersten Mal in meinem Leben Blut spende.
Aber auch in der Krisenzeit brauchen die Blutbanken Blut und überall scheinen die Spendezahlen zurückzugehen, so ist es zumindest zu lesen. Ich will meinen Teil beitragen und spenden gehen. Ganz ohne Unterstützung kann ich es aber nicht über mich bringen. Deswegen muss Kristin zum imaginären Händchenhalten mit – #Kontaktverbot. Aber als hätte ich nicht schon genug Angst vor Nadeln und – überhaupt – Blut, schwebt über allem die Frage: Wie sicher ist Blutspenden aktuell?
Von Seiten der Transfusionsmedizin wird uns versichert, dass das Blutspenden gesundheitlich kein Problem sei. Trotzdem gelten erhöhte Schutzmaßnahmen. Vor Ort kann ich mich selbst davon überzeugen: Schon am Eingang empfängt uns ein Schild, das auf den Mindestabstand zwischen Personen hinweist. Auch auf dem Boden ist der Abstand mit rot-weißem Klebeband markiert. Das Ausfüllen des Spendebogens ist nur mit eigenem Kugelschreiber möglich (zum Glück gehe ich nie ohne aus dem Haus). Und das Personal ist natürlich mit Mundschutz, Gesichtsschutz, Handschuhen und sonst denkbarer Schutzmontur ausgestattet. Für mich ist dieser Anblick allerdings ein bisschen gewöhnungsbedürftig.
Als sei das alles nicht dystopisch genug, erlebe ich meine skurrilste ärztliche Untersuchung bis jetzt (Stand April 2020): Meine Ärztin und ich sitzen uns zwei Meter entfernt auf Stühlen gegenüber, die an den gegensätzlichen Wänden im Raum aufgestellt sind. Sie ruft mir Fragen zu, ich versuche nicht zu schreien, als ich ihr antworte: „Nein, ich habe noch nie Blut gespendet! Nein, ich habe keine Erkältung! Ich nehme keine Medikamente! Grundsätzlich habe ich keine Fragen mehr!“ Das Abhören mit dem Rücken zur Ärztin: „Bitte atmen Sie kräftig aus! Immer von mir weg!“ Alles klar!
Ich bin gesund, darf also spenden (juhuu??). Noch immer weiß ich nicht wirklich, was mich erwartet. Langsam werde ich richtig nervös. Deswegen darf Kristin zeigen, dass Blutspenden gar nicht so schlimm ist. Professionell erklimmt sie den Stuhl, streckt ihren Arm aus, ein kleiner Piks. Sie lächelt mich an: „Das war schon das schlimmste!“ Na dann! Das kann ich bestimmt auch. Dorothea vom Spendeteam lächelt mir aufmunternd zu (zumindest vermute ich, dass da ein Lächeln unter der Maske verborgen ist). Ich lege all meine Zuversicht in meinen Gang, setze mich auf den Stuhl, mache meinen Arm frei und warte verzweifelt auf den Schmerz. Aber er kommt nicht.
„Haben Sie sich das hier schon durchgelesen?“ Dorothea reicht mir ein Infoblatt. Eindeutig Ablenkungsmanöver, aber ich beginne zu lesen und konzentriere mich auf jeden einzelnen Buchstaben. Dann geht alles ziemlich schnell: Das Blut in meinem Arm wird gestaut, damit die Venen sichtbar werden, die Ellenbeuge desinfiziert und dann spüre ich doch einen kleinen Schmerz. „Ohne Piks geht es leider nicht ganz!“ Entschuldigender Blick von Dorothea. Ja, dann muss das wohl so!
Mein Körper denkt trotzdem nach ungefähr einer Minute, dass er keine Lust mehr hat. Mir wird schwindelig und heiß. Ob sie die Spende abbrechen soll, fragt Dorothea. – „Nein, das schaffe ich schon!“ – Selten lag ich so daneben! Als es an den Blickrändern schon dunkel wird, bin ich doch bereit, abzubrechen. Meine Liege wird gekippt, sodass meine Füße erhöht liegen. Eine zweite Mitarbeiterin hält mir einen Becher mit Apfelsaft und einem Strohhalm hin (ich muss nicht einmal den Becher halten). Ich bekomme einen Traubenzucker. Die Ärztin schaut auch sofort vorbei und checkt mich durch. Mein Blutdruck wird gemessen. Wow, so eine Rundumversorgung hatte ich nicht erwartet. Ich bin gerührt.
Einige Minuten darf ich noch liegen bleiben, dann werde ich in den Imbissbereich begleitet. Kaum habe ich auf dem Stuhl platzgenommen, werde ich schon nach meinen Essens- und Getränkewünschen gefragt und entscheide mich für Käsebrot, Zimtschnecke, Apfel und Apfelsaft (es fühlt sich schon sehr nach All-Inclusive-Urlaub an).
Im Gespräch finde ich schließlich heraus, dass mindestens einmal am Tag so ein Fall wie ich passiert. Das tröstet mich doch ein kleines bisschen. Außerdem wird mir erzählt, dass die Spendezahlen seit Jahren zurückgehen. Und die Corona-Pandemie verschlechtert die Lage noch. Zu Beginn seien zwar so viele Spender*innen wie selten verzeichnet worden. Seit der letzten Woche ist die Zahl der Spendewilligen aber deutlich gesunken. Dazu kommen die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und die vorübergehende Schließung der Blutspende am Klinikum. Auch die Transfusionsmedizin bekommt die Krise zu spüren.
Viel konnte ich dem Blutmangel heute nicht entgegensetzen. Ein Reagenzglas meines Blutes habe ich abgegeben. Aber in drei Monaten darf ich wieder mein Glück versuchen. Dann werde ich definitiv länger durchhalten. Ich weiß ja jetzt, was mich erwartet. Mein Fazit: Blutspenden war vor allem in meinem Kopf sehr schlimm. In Wirklichkeit ist das ganz entspannt. Wenn ich mich vorher selbst nicht so nervös gemacht hätte, hätte ich bestimmt durchgehalten.
Noch ein paar Tipps, wenn ihr jetzt Lust habt, selbst Blut zu spenden (und das habt ihr natürlich): Die Spenderäume im Klinikum sind vorübergehend geschlossen. Momentan könnt ihr ausschließlich am Standort am Campus, Weender Landstraße 1, Blut spenden. Dienstagnachmittags ist dort übrigens am Meisten los. Sucht euch also am besten einen anderen Tag aus! Und Kuli nicht vergessen!
Weitere Infos findet ihr auf der Seite der Transfusionsmedizin.