Stille trifft auf Geschrei. Der böse Wolf trifft auf Frau Holle. Sprache trifft auf Sprache. Seit dem 06. August läuft Mal wieder Grimm im ThOP – ein Stück, das deutsche Laut- und Gebärdensprache miteinander verbindet.
„Dieser Mann spricht unentwegt von Äpfeln!“, beschwert sich die Staatsanwältin. Ein Autor steht vor Gericht und muss sich wegen Plagiatsvorwürfen verantworten. Auszüge aus seinem Werk sollen beweisen, dass er das geistige Eigentum der Brüder Grimm gestohlen hat. Und so entsteht ein Stück im Stück, eine Märchencollage der etwas anderen Art. Manche Figuren in DGS (Deutsche Gebärdensprache), andere zwei- oder lautsprachig, doch vor allem immer gleichberechtigt.
Wie man darauf kommt, in einem Theaterstück Gebärdensprache einzubinden? „Ich habe einen DGS-Kurs an der Uni gemacht und bin dadurch auch mit der Gehörlosenkultur in Kontakt gekommen“, erklärt Christa Gaisbichler, Regisseurin des Stücks. „Da habe ich auch erfahren, dass es nur wenige Theaterangebote für Gehörlose in Deutschland gibt.“ Und so hat sie die Sache einfach selber in die Hand genommen.
In Ibrahim Alkadri und Doro Nyga – im Stück Hänsel und Gretel – hat sie zwei Schauspieler gefunden, die das Wesen des Projekts verkörpern: Doro hat, wie ihre Regisseurin, zunächst einen DGS-Kurs gemacht. In Mal wieder Grimm habe sie dann die Möglichkeit gefunden, Schauspiel und Gebärdensprache zu verbinden, erzählt sie und übersetzt es für Ibrahim gleichzeitig in DGS. Er ist einer von zwei Hörgeschädigten, die auf der ThOP-Bühne stehen. Bevor er vor einem Jahr nach Deutschland gekommen ist, hat er bereits in Syrien an arabischem Gehörlosentheater mitgewirkt. In Göttingen spielt er nun das erste Mal in DGS.
Das Projekt des ThOP sucht indes noch seines gleichen. „Wir wollen Sprachen nicht hierarchisieren“, sagt Regieassistentin Rieke Giese. „Wir wollen beide Sprachen gemeinsam auf die Bühne bringen.“ Das bedeutet: Kein lautsprachliches Theater mit Dolmetschern und kein Gehörlosentheater ausschließlich in DGS, sondern sprachliche Gleichberechtigung – bisher ein Novum auf deutschen Bühnen.
Aber die sprachliche Umsetzung ist nicht die einzige Besonderheit an dem Theaterstück. „Das Stück ist aus uns heraus entstanden“, sagt Christa. Mal wieder Grimm wurde von den Mitwirkenden komplett selber verfasst – abgesehen von Grimm’scher Inspiration natürlich. Und mit ihrem Stück regen sie zum Denken an. Über Sprache, über Diskriminierung und – nicht zuletzt – über Äpfel. Bis zum 27. August ist es noch im ThOP zu sehen und zu hören.